Gastbeitrag von Ulrich Schramm
Besucher der Rhönbrauerei Dittmar in Kaltennordheim gehen auf dem sachkundig geführten Rundgang vorbei an digitalisierten Produktionsanlagen, hören Wissenswertes über alte und moderne Brautechniken.
Sie schreiten durch altehrwürdige verwinkelte Gänge, steigen über Treppen und erleben schließlich hautnah im liebevoll eingerichteten Brauereimuseum mit seinen historischen Braugeräten und der Souvenirsammlung rund ums Bier lebendige Zeit- und Betriebsgeschichte, getragen von einer spürbaren Verbindung von Produktionsstätte und seiner darin tätigen Menschen, allen voran in sechster Generation, seit nunmehr 125 Jahren, die Familie Dittmar.
Diese lange Zeit, geprägt von politischen und betrieblichen Umbrüchen spiegelt sich wieder in den seit 45 Jahren zusammengetragenen Ausstellungsstücken des Urenkels der Brauerdynastie, Friedrich Dittmar, geboren am 17.12.1935 in Kaltennordheim und seither eng verbunden mit der großelterlichen Rhönbrauerei und seiner Region, der Rhön.
Er erlebte die Umwandlung der bis 1962 privaten Brauerei in einen halbstaatlichen Betrieb und die endgültige staatliche Übernahme als „Volkseigener Betrieb“ in das „Getränkekombinat Rennsteig“ 1972, in deren Ergebnis der kompetente Braumeister als technischer Leiter im ehemals eigenen Betrieb tätig war, gemeinsam mit Ehefrau Lilo, Tochter Christel und Schwiegersohn Lutz.
Mit der friedlichen Revolution stellte sich 1990 die Frage nach der Rückführung der Traditionsbrauerei in die eigene Hand nicht, trotz Verlockungen und Angeboten verschiedenster Interessenten.
Am 1. Juni 1990 gelang die Reprivatisierung mit all ihren damit behafteten Probleme, Konflikten und Herausforderungen, denen sich die Familie und die verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagiert stellten, allen voran der damals 55-jährige Friedrich, von allen nur „Frieder“ genannt, vielleicht weil es persönlicher und vertraulicher wirkte, denn längst war er nicht nur als Brauereichef der inzwischen fünften Generation bekannt.
Er war ein beliebter, kritisch-pragmatischer, weitsichtiger Gesprächspartner und Ratgeber in gesellschaftlichen Gremien, politisch in der ehemaligen LDPD, der späteren F.D.P. engagiert, ab 1994 zeitweise Mitglied des Stadtrates, Mitbegründer des wieder neu ins Leben gerufenen Rhönklubzweigvereins in Kaltennordheim, Mitglied des Geschichtsvereins und sympathischer Unterhalter in geselligen Runden mit einem besonders trockenen Humor.
So verlor er nie den Kontakt zu seinen Mitmenschen, brachte sich verantwortungsbewusst ein in regionale und überregional Entscheidungsfindungen und war wesentlich an der Entwicklung, Festigung und den Erfolgen seiner Rhönbrauerei beteiligt.
Sicher war es für ihn eine schwere Entscheidung, sich gesundheitsbedingt aus der Leitungsverantwortung zurückzunehmen, aber er wusste seinen Betrieb in guten Händen, und so übergab er 1994 die Führung an seine Tochter Christel, einer diplomierten Lebensmitteltechnologin. Ihr Ehemann Lutz übernahm 1999 die als Tochtergesellschaft aus dem Getränkehandel gegründete „Rhön-Getränke-GmbH“.
Die Rhönbrauerei Dittmar ist zu einem wichtigen Repräsentanten und Unterstützer der Region gereift und Enkel Julian, inzwischen auch als Braumeister tätig, ist dabei, das Unternehmen in die siebente Generation zu führen, traditionsgemäß.
Frieder Dittmar verstarb am 1. Juni 2020 im Alter von 84 Jahren als hoch anerkannte und regional bedeutsame Persönlichkeit, heimatverbunden, trotz Krankheit nicht verbittert und bis zuletzt liebe-voll betreut und gepflegt von seiner Ehefrau Lilo und umsorgt von seiner inzwischen großen Familie mit Enkeln und Urenkeln, die ihm selbst viel bedeutete.
Auch das ist gute Familientradition. Vielleicht sind deshalb die Ausstellungsstücke im Brauereimuseum mehr als nur leblose Teile einer Ausstellung, sondern ein Stück gelebter und überlieferter Betriebs- und Familiengeschichte, mit einer Seele, die sich dem Betrachter mitteilt, dank Frieder, dem „Chef der fünften Generation“.