Gastbeitrag von Ellen Mangold
Angesichts der Energiepreissituation, des Fachkräftemangels sowie der Zins- und Nachfrageentwicklung ist die sonst übliche Sommerbelebung im Südthüringer Handwerk ausgeblieben.
„Unsere Mitgliedsunternehmen kämpfen sich durch, blicken aber mit Sorge auf das Winterhalbjahr“, kommentiert Mike Kämmer, Präsident der Handwerkskammer Südthüringen, die Veröffentlichung des Konjunkturberichts für das dritte Quartal 2023.
Allgemeines Geschäftsklima
Die Einschätzung der Geschäftslage der Handwerker in Südthüringen zeigte sich gegenüber dem Frühjahr weitgehend unverändert. Die während der Sommermonate übliche Konjunkturbelebung blieb in den meisten Bereichen aus.
Die anhaltend hohe Inflation mindert die realen Haushaltseinkommen und dämpft die Konsumnachfrage. Das Investitionsklima wird durch gestiegene Zinsen und wirtschaftliche Unsicherheit geschwächt.
Das Bauhauptgewerbe, lange Zeit eine Konjunkturstütze im Südthüringer Handwerk, schwächelt. Das Bauen ist teuer, die Nachfrage bricht ein.
Ein sehr großer Belastungsfaktor für die Unternehmen ist nach wie vor der Fachkräftemangel.
Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung werden hierbei verschärft durch weiterhin ausbaufähige Anreize für junge Menschen, eine Handwerkskarriere aufzunehmen.
Insbesondere das Unternehmertum sieht sich mit zahlreichen bürokratischen und steuerlichen Hemmnissen konfrontiert.
Der aktuelle Geschäftsklimaindex lag mit 62 Punkten zwar fünf Indexpunkte über den Einschätzungen des Vorjahresquartals, jedoch weiterhin deutlich unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre (76).
Insgesamt bewerteten 41 Prozent der Südthüringer Handwerker ihre Geschäftslage mit gut (Vorjahr 38 Prozent) und 43 Prozent mit zufriedenstellend (Vorjahr 37 Prozent).
In den nächsten Monaten wird mit einer Abkühlung des Geschäftsklimas gerechnet. Lediglich 11 Prozent der befragten Handwerker rechnen mit einer Verbesserung ihrer Geschäftslage, 31 Prozent befürchten eine Verschlechterung.
Aufträge und Betriebsauslastung
Die Auftragslage ist im Vergleich zum Jahresbeginn insgesamt zurückgegangen. Besonders starke Rückgänge verzeichneten das Bau- und Ausbauhandwerk. Im Nahrungsmittel- und Kfz- Handwerk ist die Nachfrage dagegen gestiegen.
Insgesamt verzeichneten 13 Prozent der befragten Handwerker im Berichtszeitraum ein Auftragsplus. Im Vorjahr waren dies zehn Prozent gewesen. 57 Prozent (Vorjahr 54 Prozent) meldeten unveränderte und 30 Prozent (Vorjahr 36 Prozent) eine rückläufige Auftragsentwicklung.
Die durchschnittliche Auftragsreichweite lag bei acht Wochen, zehn Wochen im Bau- und Ausbauhandwerk und zwei Wochen im Kfz-Handwerk.
Ihre Auftragslage schätzten 66 Prozent der Handwerksunternehmer für die Jahreszeit als normal oder überdurchschnittlich ein.
Die Betriebsauslastung erreichte trotz gesunkener Auftragseingänge im Berichtszeitraum ähnliche Bewertungen wie im Vorjahr. Mehr als die Hälfte der Handwerksunternehmen (53 Prozent) meldete einen Auslastungsgrad von über 80 Prozent.
Überdurchschnittlich war der Auslastungsgrad zu Beginn des Jahres noch im Bau-, Ausbau- und Zulieferbereich.
Zum aktuellen Zeitpunkt und für die nächsten Monate meldeten diese Handwerksbranchen jedoch stark sinkende Neuaufträge und eine nachlassende Auftragslage.
Auch im kommenden Quartal wird sich die Auftragslage nicht verbessern: Sieben Prozent erwarten ein Auftragsplus, 35 Prozent einen Auftragsrückgang.
Umsätze
Die Umsatzeinschätzungen haben sich sowohl im Vergleich zum Frühjahr 2023, als auch im Vergleich zum Vorjahr geringfügig verbessert.
Allerdings meldeten unter dem Strich weiterhin in jeder Branche mehr Unternehmen sinkende Umsätze als steigende.
16 Prozent der Befragten (Vorjahr 18 Prozent) meldeten ein Umsatzplus, bei 58 Prozent (Vorjahr 50 Prozent) waren die Umsätze konstant und 27 Prozent (Vorjahr 32 Prozent) verzeichneten Umsatzeinbußen.
Die Umsatzerwartungen haben sich insgesamt weiter eingetrübt. Die konsumnahen Handwerksbereiche erwarten jedoch per Saldo zumindest gleichbleibende Umsätze. Hierbei muss allerdings die weiterhin erhöhte Teuerungsrate berücksichtigt werden.
Preise
Gemäß Thüringer Landesamt für Statistik lag die Inflationsrate in Thüringen im August 2023 mit 6,5 Prozent leicht über dem bundesweiten Durchschnitt von 6,1 Prozent.
Die Preissteigerungen haben sich zwar im Laufe des Jahres etwas abgeschwächt, doch die Preise für Energie, Material und Rohstoffe bleiben hoch. Bei weitem können nicht alle Kosten von den Unternehmen auf Produkte und Leistungen umgelegt werden.
Gestiegene Kosten im Einkauf verzeichneten 65 Prozent der Unternehmen, jedoch hat die Mehrheit der Südthüringer Handwerksunternehmen ihre Verkaufspreise nicht verändert. Nur 40 Prozent haben diese erhöht.
Einem überdurchschnittlichen Preisdruck waren zuletzt die Dienstleister und Zulieferer für den gewerblichen Bedarf ausgesetzt.
In diesen Branchen meldeten 94 Prozent der Befragten gestiegene Einkaufspreise, während nur 23 Prozent diese Kosten auch umlegen konnten.
Beschäftigte
Die Arbeitsmarktlage im Südthüringer Handwerk ist weiterhin angespannt. Zehn Prozent der Unternehmen konnten zusätzliches Personal gewinnen, 13 Prozent meldeten einen Rückgang der Beschäftigtenzahlen.
Wachstum ist vorerst nicht in Sicht. Ein positives Zeichen bilden die aktuellen Ausbildungszahlen.
Bis zum 30. September 2023 wurden 563 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das sind vier Prozent mehr als im September des vorigen Jahres.
Fazit
Das Südthüringer Handwerk bleibt von der landesweiten Konjunkturschwäche infolge von gestiegenen Kosten und Auftragsrückgängen nicht unberührt. Die Geschäftserwartungen der Unternehmen für das Winterhalbjahr sind mit großen Fragezeichen behaftet.
Mike Kämmer, Präsident der Handwerkskammer Südthüringen erläutert: „Im vergangenen Jahr sahen sich unsere Mitgliedsbetriebe bereits mit der Dauerherausforderung des Fachkräftemangels, ungeahnten Preiskapriolen und mancher Verunsicherung über die künftige Gesetzeslage konfrontiert. Nun sind hierzu noch steigende Kreditzinsen gekommen, die die Nachfrage beeinträchtigen.“
In Anbetracht dieser zahlreichen Unsicherheiten zeige sich das Südthüringer Handwerk bislang im Schnitt bewundernswert widerstandsfähig, aber dies dürfe nicht darüber hinwegtäuschen.
„Wir treten auf der Stelle. Was das Handwerk braucht, ist eine positive Perspektive!“, konstatiert Mike Kämmer.
Er appelliert: „Die Politik muss endlich Rahmenbedingungen schaffen, die eine berechenbare Unternehmensentwicklung und ein auskömmliches Wirtschaften ermöglichen.
Hierfür braucht es pragmatisch gestaltete Gesetze, die von Anfang an fest auf dem Boden der Tatsachen stehen und niemanden ratlos zurücklassen, ebenso wie dauerhaft konkurrenzfähige Energiepreise für kleine wie für große Unternehmen.
Auf dieser Grundlage können nicht nur das Südthüringer Handwerk, sondern auch dessen Partner und Kunden wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren.“
Von 1.500 befragten Handwerksunternehmen im Kammerbezirk Südthüringen beteiligten sich an der Konjunkturumfrage im dritten Quartal 2023 – 545. Zum 30. Juni 2023 waren bei der Handwerkskammer Südthüringen 6.523 Handwerksbetriebe registriert.