Gastbeitrag von Michael Knauf
Am 6. September 1730 wurde der Advokat Johann Andreas Sulzberger in Salzungen stolzer Vater eines gesunden Stammhalters. Der Knabe wird auf den Namen Johann Christian Sulzberger getauft.
Sein Vater der spätere Amtmann und Rat von Tann/Rhön entsandte den jungen Sulzberger, nach dem Besuch der Volksschule, auf das Gymnasium nach Coburg. Hier erhielt der junge Mann seine Hochschulreife.
Nach erfolgreichem Abschluss seiner Medizinstudien in Berlin und in Leipzig erwarb er 1756 in Rostock seinen Doktortitel (Doktor medicinae).
Herr Sulzberger eröffnete seine Praxis in Salzungen und ließ sich hier in seiner Geburtsstadt als Allgemeinmediziner nieder. Im Jahr 1773 bekam er den Titel „herzoglicher Land- und Stadtphysikus“ verliehen.
Am 13. September 1774 heiratete Sulzberger, die am 4. Juli 1751 in Jüchsen geborene Sophie Christiane Wagner. Die Mutter war eine geborene Anna Barbara Wendler aus Suhl. Der Vater Abraham Timotheus Wagner war der damalige Pfarrer von Jüchsen.
Dr. med. Sulzberger hatte den guten Ruf, als mitfühlender und scharfsinniger Arzt und Diagnostiker, über die Stadtgrenzen hinaus. Es wurden Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung ohne Ansehen der Person, ihrer Einkommen oder ihres Standes behandelt.
Auch Mitbürger, die sich eine Behandlung jeglicher Art nicht leisten konnten, wurden kostenlos versorgt. Die Familie Sulzberger konnte durch ihre geschäftlichen Anteile an der Salzunger Saline sehr viel zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung ohne Eigennutz, aus Barmherzigkeit und ehrlich gelebtem christlichen Glauben beitragen.
Durch den frühen Tod ihrer beiden Söhne Ludwig Wilhelm (27.03.1776) und Johann Friedrich Christian (1779-1801) im Kindesalter, war das Band der Eheleute Sulzberger noch enger verknüpft.
Nach Überlieferungen soll Johann Friedrich Christian an der Infektionskrankheit Typhus verstorben sein. Nähere Angaben über Ludwig Wilhelm können trotz intensiver Recherchen nicht gemacht werden.
Die Sulzbergers beschlossen, dass nach ihrem Tod eine gemeinnützige, private Stiftung ihres Vermögens, zum Wohle der Salzunger Bevölkerung und allen Menschen aus der Umgebung verwendet werden soll.
Nach dem Ableben ihres Gatten am 6. Oktober 1803, führte Sophie Sulzberger akribisch Buch über ihre Einnahmen und Ausgaben, schließlich wollte sie der 1808 gegründeten Stiftung ein ansehnliches Vermögen hinterlassen.
Der Biograph, Superintendent Ernst Julius Walch lobte die genauen Abrechnungen von Sophie Sulzberger, verfasst in einem Rechnungsbuch, datiert von 1809 bis 1820.
Auch der Chronist und Meininger Hofprediger Georg Emmerich war in seinen Ausführungen, in verschiedenen Publikationen, von der exakten Buchhaltung von Sophie Sulzberger begeistert.
Selbst in der medizinischen Forschung war Dr.med. Sulzberger erfolgreich. So war es ihm möglich ein Arzneimittel zur Linderung und Heilung, bei Magen- und Darmbeschwerden nach intensiver Forschungsarbeit, vor allem auf Grundlage von Aloe Vera, herzustellen und erfolgreich zu Vermarkten. Die „Allgemeine Fluss Tinktur“, oder auch „Sulzberger-“ oder „Salzunger Tropfen“ genannt.
Es war die Geburtsstunde des später fast weltweit bekannten Heil-und Hausmittels. Die Rezeptur der Sulzberger-Tropfen wurde in einer Kassette verschlossen, im Salzunger Rathaus, bis zur Jahrtausendwende (2000) aufbewahrt.
Es durften keinerlei Abschriften oder Kopien jeglicher Art angefertigt werden. Nur der Apotheker, der die Fluss-Tinktur anfertigte, durfte die Rezeptur einsehen.
Sophie Sulzberger übergab die Lizenz, nach dem Tod ihres Mannes, zur Herstellung der Tropfen an ihren Verwandten Apotheker Johann Ludwig Hermann.
Nach dessen Ableben bekam ein Neffe, der Apotheker Dr. Hermann Hoffmann aus Salzungen die Genehmigung und die Rezeptur zum Weitervertrieb der Fluss-Tinktur. Herr Hoffmann übergab seinem Sohn, Apotheker Dr. phil. Felix Hoffmann die Geheimrezeptur und seine Produktionsstätten.
Außerdem wurde von der Familie Hoffmann noch die am Marktplatz befindliche „Mohren-Apotheke“ (heute geschlossen) betrieben. Es konnten zusätzlich die Produktion von „Salzunger Mineraletten“, hergestellt aus original Salzunger Sole, sowie Sprudel-Tabletten für die Getränkeindustrie (Selters), in das Fertigungsprogramm aufgenommen werden.
Das Chemisch-Pharmazeutische Laboratorium Dr. H. Hoffmann befand sich am Entleich in Bad Salzungen. Im Bundesarchiv ist eine Zulassung des Medikaments (Sulzberger Tropfen) bis 1978 vermerkt.
Nach Anfrage in der Apotheke, sind die Sulzberger Tropfen nicht mehr im Handel gelistet und somit außer Vertrieb. Es gibt auf dem Apothekenmarkt noch „Hoffmanns Tropfen“. Der Hersteller aus Königssee verneint aber einen Zusammenhang mit den Sulzberger Tropfen aus Bad Salzungen.
In den 1950iger Jahren waren die „Sulzberger Tropfen“ fester Bestandteil in fast jeder Hausapotheke.
Am 21. Oktober 1842 verstarb Sophie Sulzberger im 92. Lebensjahr. Wie es die Eheleute beschlossen hatten, nahm die Administration der Dr. Sulzberger Armen und Krankenstiftung sofort ihre Arbeit auf.
Die Verwaltung der Stiftung übernahmen die jeweiligen amtierenden Bürgermeister, der Stadtkämmerer sowie der evangelische Geistliche der Stadt.
Von der Stiftung konnte der Neubau des Krankenhaus und des Kindergartens und deren Unterhaltungs- und Betriebskosten in vollem Umfang übernommen werden. Außerdem wurden die Behandlungskosten von Bedürftigen durch die Stiftung beglichen.
In den Jahren von 1846 bis 1851 erfolgte der Neubau des geplanten Krankenhauses. Am 6. Oktober 1851 fand die feierliche Einweihung des Salzunger Krankenhaus „Dr. Sulzberger“ in der heutigen Langenfelder Straße statt.
Im Sommer 1914 bekam das Stamm-Krankenhaus einen neuen Anbau. Durch die fortschreitende Industrialisierung mussten Kinderbetreuungen geschaffen werden.
So wurde im Jahr 1926 auf dem Grundstück des Krankenhauses, ein für damalige Zeiten moderner, humanistischer Kindergarten, im Sinne der Sulzberger Stiftung errichtet.
Nach Gründung der DDR war der neuen Obrigkeit die private, wohltätige Stiftung ein Dorn im Auge. So stellte die Sulzberger Stiftung nach mehr als 100 Jahren, im Jahr 1951, die Arbeit ein. Am 1. Februar 1951 ging das Dr. Sulzberger Krankenhaus, samt Immobilie als Schenkung der Stiftung an die Stadt Bad Salzungen.
Das nunmehr städtische Krankenhaus Dr. Sulzberger arbeitete noch bis in den Sommer 2002 vorbildlich im täglichen Dienst für seine Patienten.
Ab September 2002 nahm das moderne, neu erbaute Klinikum Bad Salzungen, ein akademisches Lehrkrankenhaus des Universitätsklinikums Jena, seine Tätigkeit auf. Das Klinikum Bad Salzungen ist in der Trägerschaft eine GmbH.
Es verfügt über 423 Krankenhausbetten, hat zehn Fachgebiete und beschäftigt um die 750 Mitarbeiter. Im Jahresdurchschnitt können hier rund 70.000 Patienten behandelt werden.
Im ehemaligen Dr. Sulzberger Krankenhaus, in der Langenfelder Straße 8, befinden sich derzeit ein Medizinisches Versorgungszentrum, drei Seniorenpflege-Einrichtungen, eine Praxis für Nuklearmedizin, eine Psychiatrische Tagesklinik mit Wohnheim, das Mehrgenerationen Haus Bad Salzungen und zwei medizinische Berufsfachschulen.
Die Kur- und Kreisstadt Bad Salzungen sagt auch heute noch dem Ehepaar Sulzberger „Danke“!
So wurde die Straße in der sich das ehemalige Wohnhaus (aktuell die Hausnummer 2) des Ehepaar Sulzberger befand, in Sulzberger Straße umbenannt. Durch Sophie Sulzberger bekam die Sophienstraße ihren Namen.
Nicht zu vergessen das Gymnasium Bad Salzungen, welches am 6. Oktober 2000 in Staatliches Dr. Sulzberger-Gymnasium Bad Salzungen umbenannt wurde. Das Dr. Sulzberger Gymnasium befindet sich in zwei Gebäude-Komplexen, Haus I in der Otto Grotewohl-Straße 32 und Haus II in der Otto Grotewohl-Straße 79.
Wer mehr über das Leben und Wirken der Bad Salzunger Familie Sulzberger erfahren möchte dem empfehlen wir nachfolgenden Lesestoff, Publikationen oder Literatur:
-Die Frankensteiner Heimatblätter, 2. Jahrgang, Heft 13, Juli 1992, Herausgeber: Frankensteingemeinde-Verein für Salzunger Geschichte e.V., keine ISBN-Nummer
-Chronik einer thüringischen Stadt, Bad Salzungen, Autor: Hartmut Ruck, ETRO-Verlag Bad Sooden-Saalmünster, Bad Salzungen 2000, keine ISBN-Nummer
-„Festschrift zum Stadtjubiläum 1225 Jahre Bad Salzungen“, Herausgeber Stadtverwaltung Bad Salzungen, Verlag Bauer & Malsch – Druck Immelborn, im Jahr 2000, ohne ISBN-Nummer
– Materialien für den Heimatkundeunterricht-Kreis Bad Salzungen, Abteilung Volksbildung, Autor: Paul Luther, Bad Salzungen 1959, ohne ISBN-Nummer
– wohlsortierte und authentische Dokumentationen und Exponate in den Ausstellungen des Stadt-Museum von Bad Salzungen, am Gradierwerk
– Internet: www.docplayer.org., Autor: Hartmut Ruck , Südthüringen.de, Autor: Annett Spieß
Die aufgeführten Publikationen und Institutionen gelten gleichzeitig als Quellennachweis.
Ein besonderer Dank geht an den Autor, Heimatforscher und ehemaligen Chronisten (i.R.) der Stadt Bad Salzungen Herr Hartmut Ruck für seine Unterstützung bei der Erstellung des vorliegenden Beitrags.
Auch möchte ich dem Apotheker Johannes Todt, aus der Schloss-Apotheke in Philippsthal, für die ausführliche und gute fachliche Beratung danken.
Ein schönes und unvergessliches Erlebnis über die bewegende Geschichte der Stadt, war der Besuch des Stadt-Museum von Bad Salzungen am Gradierwerk. Nochmalig vielen Dank dem zuvorkommenden Personal vom Tourismus- und Museumsbüro.