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Teufelskutte am Burgsee – Verschwundenes Naturphänomen in Bad Salzungen

Gastbeitrag von Michael Knauf

Der bekannte und beliebte Bad Salzunger Burgsee liegt 251 Meter über N/N, hat eine Flächengröße von 10,33 Hektar, einen Umfang von 1,15 Kilometern und eine Wassertiefe um die 25 Meter.

Kaum jemand weiß, dass etwa 80 bis 100 Meter vom südlichen Ufer des Burgsee entfernt, am Seeberg eine weitere Sehenswürdigkeit, die Grube oder Teufelskutte, ein Karst-oder Einbruchstrichter See, in früheren Zeiten zu finden war.

Die Teufelskutte oder Grube soll an einer 23 Meter hohen, vom Seeberg abfallenden Felswand, verborgen von Gebüsch, hohen Tannen und Erlen, gelegen haben.

historische Ansichtskarte Burgsee mit Kurhaus um 1970

Die Teufelskutte war wie der Burgsee durch Auslaugungen der mächtigen Steinsalzablagerungen unter dem Buntsandstein, als ein Karst-Einbruchstrichter-See entstanden.

Die bis zu 300 Meter starken Steinsalzablagerungen im Werragebiet entstanden durch die Verdunstung von Meerwasser des Zechsteinmeeres vor etwa 250 Millionen Jahren.

Über Risse der Erdkruste, sogenannte Störungszonen, gelangte in der jüngeren Erdgeschichte Grundwasser in die Salzlagerstätten und löste das Salz.

Durch diese Auslaugungen entstanden Hohlräume (Karst) im Zechstein, welche wiederum zu örtlichen Einbrüchen im darüber liegenden Buntsandstein führten.

Marktplatz Bad Salzungen um 1971

Nach Überlieferungen soll die Grube (oder Teufelskutte) in früheren Jahrhunderten größere Ausmaße an Fläche und Tiefe gehabt haben.

Durch die Anlage eines Steinbruchs und später der Ausbau von Kellergewölben für die Salzunger Brauereien am Seeberg, wurde der anfallende Bauschutt nach und nach in der Grube versenkt.

Der Salzunger Bürger Christian Junker konnte im Jahr 1586 die Grube als einen See, mit einer Fläche von um die 600 Quadratmeter und einer erstaunlichen Tiefe, um die 40 Meter beschreiben.

Ein großer Teil der Bad Salzunger Bevölkerung hatte großen Respekt und Angst vor der Teufelskutte, da bis hinein in das späte 19. Jahrhundert auch die bekannten Dialektdichter, Märchenerzähler und Sagensammler, Ludwig Bechstein und Christian Ludwig Wucke manch grausige Geschichte über die Grube erzählten.

So berichtete Bechstein in seinem deutschen Sagenbuch, erschienen 1853, Seite 749 „Die Salzunger Seen“ folgendes über die Teufelskutte:

„In der Grube hatte sich ein fliegender Drache öfters niedergelassen. Einem Kutscher, der über ihr dahinfuhr, als sie noch fast den ganzen Erdball ausfüllte, der jetzt Grube heißt, wurden durch ein Gespenst die Rosse so erschreckt, dass sie mit Mann und Wagen sich in den Abgrund stürzten.“

historische Ansichtskarte um 1920, „Haunsche Hof“ zwischen dem Salzunger Marktplatz und dem Burgsee gelegen

Tatsächlich fand man im Sterberegister der Salzunger Kirchenbücher im Jahr 1673 folgenden Eintrag: „Der 22-jährige Sohn des Conrad Hopffens, welcher mit Fronfuhren beschäftigt war, stürzte samt zwei Pferden und dem Wagen in die Grube und musste ertrinken, seine sterblichen Überreste konnten nie gefunden werden.“

Auch Herr Wucke hatte einige Schauergeschichten, sogar aus der Salzunger Chronik von Johann Christian Schwarz, aus dem Jahr 1547, über und um die Grube parat:

„Am 12. August 1547 wurde ein an Händen und Füßen, sowie geknebelter Mann ertrunken in der Grube aufgefunden. Eine andere nicht genannte Quelle, schilderte den tödlichen Unfall einer ganzen Hochzeitsgesellschaft die mit einer voll besetzten Kutsche samt Pferden im Wasser der Grube versank.

Der Chronist Schwarz soll berichtet haben, da die Ufer der Teufelskutte nicht eingezäunt oder anderweitig umfriedet waren und die Böschung steil zum Ufer hinab führte, sei es des Öfteren zu solchen unerfreulichen Zwischenfälle gekommen.“

Ansichtskarte Teufelskutte/Grube um 1831

Da sich im tiefen Inneren der Teufelskutte/Grube eine Quelle befand und im Jahr 1768 der Pfännerschaft das Wasser zum Antreiben eines Wasserpumpwerkes in der Silge nicht mehr ausreichte, wurde auf Veranlassung des Freiherrn von Beust und auf Kosten der Saline ein Abfluss von der Grube zum Burgsee gegraben, um die Wasserkraft der Silge zu verstärken.

Die Silge ist ein natürlicher Abfluss-Bach des Burgsees und führte früher am Nappenplatz vorbei, um in die Werra zu münden. Der Wasserstand der Grube blieb trotzdem konstant.

Auch Wissenschaftler beschäftigten sich mit der Fauna und Flora der Grube. Wie 1835 der angesehene und bekannte Hofrat Dr. Hermann Schlegel, ein Mitglied der Soziologie (Zusammenschluss mehrere Personen zur gemeinsamen Berufsausübung) und der Mineralogie der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, deren Korrespondierendes Mitglied er war.

Dr. Schlegel arbeitete an Recherchen zu einem Buch über die Fauna in Salzungen. Besonders die wildromantische Schönheit des Burgsees und die jungfräuliche Seltenheit der Teufelskutte hatten es ihm angetan.

Ansichtskarte Stadt Bad Salzungen

Die tiefgrüne Färbung des Grubenwasser, ähnlich dem der Bernshäuser Kutte, lösten Bewunderung und Forscherdrang bei Dr. Schlegel aus.

Auch eine noch nicht erforschte Art von Regenwürmern, in einem goldgrün, blaurötlich schimmernden Farbton, gaben dem Wissenschaftler Rätsel auf.

Vor ca. 200 Jahren schenkten die Salzunger der Teufelskutte mehr Beachtung als dem Burgsee. Der Burgsee lag ungepflegt und wenig beachtet vor den Toren der Stadt. Wobei das Gelände der Grube um das Jahr 1818 mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt wurde.

Des Weiteren wurden an der Teufelskutte/Grube Promenadenwege angelegt und Bänke und Tische aus Naturstein aufgestellt. Über Jahrzehnte hinweg wurde jährlich das beliebte Grubenfest ausgerichtet.

Irgendwann geriet die Kutte in Vergessenheit und es kamen kaum noch Besucher. Vielmehr blühte das Interesse am nahen Burgsee förmlich auf, er hatte den Konkurrenzkampf mit der Teufelskutte gewonnen.

Zwischen und nach den beiden Weltkriegen im vorigen Jahrhundert wurde die Grube immer mehr, wohl auch aus Sorglosigkeit, zum Schutt-und Müllabladeplatz und schließlich im Jahr 1955 war sie voll und ganz eingeebnet und nicht mehr sichtbar.

Ein unwiederbringliches Naturphänomen und Idyll ist uns allen, vor allem der Bad Salzunger Bevölkerung, unwiederbringlich verloren gegangen.

Hätten damals schon die strengen Regeln unserer heutigen Naturschutzgesetze gegriffen, wären die Einzigartigkeit und die Natürlichkeit des Einbruchtrichter-Sees Teufelskutte wohl erhalten geblieben.

Ansichtskarte Bad Salzungen mit fünf Sehenswürdigkeiten der Kreisstadt

Wer mehr über die Geschichte der Teufelskutte oder Grube erfahren möchte, dem empfehlen wir folgende Literatur:

– Sagen der mittleren Werra nebst den angrenzenden Abhängen des Thüringer Waldes und der Vorder- und Hohen Rhön, sowie aus dem Gebieten der fränkischen Saale. Autor: Christian Ludwig Wucke, Sagensammlung, Salzungen 1864, Reprint MV-Verlag, ISBN: 978-3-75351-989-0

– Deutsches Sagenbuch, 1853, Georg Olms Verlag, Reprint 2003, Autor : Ludwig Bechstein, ISBN: 3-936030-71-5

– Thüringische Volksmärchen, Verlag Rockstuhl, Reprint 2002, Autor Ludwig Bechstein, ISBN: 3-936030-71-5

– Thüringer Sagenbuch 1858, Verlag Rockstuhl, Reprint 2001, Autor: Ludwig Bechstein, ISBN 3-936030-07-3 Band 1, ISBN: 3-936030-08-1 Band 2

– „Festschrift zum Stadtjubiläum 1225 Jahre Bad Salzungen“, Herausgeber Stadtverwaltung Bad Salzungen, Verlag Bauer & Malsch-Druck Immelborn, im Jahr 2000, ohne ISBN-Nummer

– Materialien für den Heimatkundeunterricht-Kreis Bad Salzungen, Bezirk Suhl, Herausgeber: Rat des Kreises Bad Salzungen, Abteilung Volksbildung, Autor: Paul Luther, Bad Salzungen 1959, ohne ISBN-Nummer

– „Fossilien der Rhön“, 10. Monografie, Autor: Frank Gümbel, Biosphärenreservat Rhön/ Verwaltung Thüringen, Zella/Rhön, 2019, ohne ISBN-Nummer

– Chronik einer thüringischen Stadt, Bad Salzungen, ETRO-Verlag Bad Sooden-Saalmünster, Autor: Hartmut Ruck, kein Erscheinungsjahr und keine ISBN-Nummer

– Internet: www.docplayer.org, Autor: Hartmut Ruck

Die aufgeführten Publikationen gelten gleichzeitig als Quellennachweis. Der vorliegende Beitrag wurde nach historischen Unterlagen, Aufzeichnungen, Gedächtnisprotokollen und Überlieferungen von Dr. Hans Goller (+), ehemaliger Chronist der Stadt Vacha, erstellt.

Nach intensiver Suche konnte eine Abbildung/Ansichtskarte der Salzunger Teufelskutte oder Grube von 1831 im Stadtarchiv von Bad Salzungen aufgefunden werden.

Ein besonderer Dank gilt Daniela Otte und Antje Schneider vom Stadtarchiv in Bad Salzungen für ihr Verständnis, ihre Bemühungen, sowie für die Genehmigungen einer Veröffentlichung der gekennzeichneten Abbildungen auf dem „Rhönkanal“.

(Anmerkung: seit dem 31. Mai 1923 trägt die Stadt den Namen Bad Salzungen)

Salzungen Stadtansicht um 1700, Kupferstich

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