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Brauchen wir eine „Neue“ Ostpolitik? – Spannende Podiumsdiskussion in Geisa

Gastbeitrag von Katrin Werth

Spannende Diskussion im Schloss Geisa zu den Kontinuitäten Willy Brandts Neuer Ostpolitik in der heutigen Zeit.

„Bisher hatten wir keine Beziehungen, jetzt werden wir schlechte haben – und das ist der Fortschritt.“

Mit Egon Bahrs ebenso lapidarer wie treffender Beschreibung der deutsch-deutschen Befindlichkeiten, leitete Prof. Dr. Philipp Gassert, Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Mannheim und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Point Alpha Stiftung, die hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion ein.

Der Grundlagenvertrag von 1972/73 stellte den zwischenzeitlichen Höhepunkt in der von Willy Brandts Regierung vorangetriebenen „Neuen Ostpolitik“ dar. Er bestimmte das Verhältnis zwischen Bundesrepublik und DDR für beinahe zwei Jahrzehnte.

Aber lassen sich die Maximen dieser neuen Form der Politik auf unsere aktuellen Beziehungen zu unseren östlichen Nachbarn übertragen? Gibt es Überbleibsel der Außenpolitik Willy Brandts in der heutigen, bundesdeutschen Außenpolitik?

Mit diesen und weiteren Fragen befassten sich Michael Brand (CDU, MdB und Point Alpha Stiftungsratsmitglied), Prof. Dr. Hope Harrison (George Washington University, USA), Prof. Dr. Claudia Wiesner (Hochschule Fulda) und Dr. Matthias Uhl (Deutsches Historisches Institut, Moskau).

Zu Beginn warfen die Diskutanten den Blick zurück auf die Vergangenheit: Warum einigten sich die beiden deutschen Staaten erst nach 23 Jahren Teilung auf den Grundlagenvertrag und wie standen die Supermächte zur deutsch-deutschen Annäherung?

Prof. Harrison führte die späte Verständigung zwischen Bundesrepublik und DDR auf die Wunde des Mauerbaus von 1961 zurück, die eine Einigung zuvor unmöglich machte.

Zudem sei durch die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 offensichtlich gewesen, dass die geopolitische Teilung Europas in zwei Machtblöcke Bestand haben würde.

Nach dem bundesdeutschen Regierungswechsel trafen die Offerten der regierenden SPD auf die offenen Ohren von Kreml-Chef Leonid Breschnew.

Auf die Frage der Menschenrechte angesprochen, die zentraler Bestandteil der KSZE-Schlussakte von 1975 waren, fällte Michael Brand ein eindeutiges Urteil.

„Menschenrechte sind keine Frage der politischen Orientierung, sie sind universell gültige Werte.“

Der Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion führte weiter aus, dass Diktaturen Menschenrechte häufig als Feigenblatt benutzen würden, um ihre wahren Interessen zu verschleiern. Umso wichtiger sei es, für diese universellen Werte einzustehen und sie glaubhaft zu verteidigen.

Claudia Wiesner warnte vor einer moralischen Überhöhung der Außenpolitik unter Willy Brandt. Diese sei durchaus von realpolitischen Überlegungen geprägt gewesen und hätte auf die veränderten Verhältnisse in der internationalen Politik reagiert.

Der russische Überfall auf die Ukraine habe hingegen zu einem „Zusammenbruch von Gewissheiten“ in der Politikwissenschaft geführt. Alte Maximen wie z.B. der Glaube an den „Wandel durch Handel“ wurden plötzlich infrage gestellt und stellen die Wissenschaft vor große Herausforderungen.

Welches Bild von Deutschland in Russland herrscht und wie die russischen Medien über die westliche Unterstützung berichten, verdeutlichte Matthias Uhl. Eine Differenzierung finde nicht statt, denn „in Russland spricht man nur vom kollektiven Westen“, so der eigens aus Moskau angereiste Experte.

Uhl beobachtet einen Rückgriff auf die Logiken des Kalten Krieges, in der die NATO als Kriegsgegner definiert wird. Er betonte jedoch, dass im Unterschied zum Kalten Krieg, Russland kein attraktives Gegenmodell zu den liberalen westlichen Demokratien bieten könne und die westlichen Staaten die Stärke und Attraktivität ihres Modells deutlicher betonen müssten.

Dieser Aussage pflichtete Brand bei, mahnte jedoch vor der Versuchung, wieder in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. „Wir sind im Westen wie der Frosch im heißen Topf“, so der CDU-Politiker.

Viele Europäer hätten immer noch nicht bemerkt, was tatsächlich auf dem Spiel steht und seien noch immer nicht bereit, der Realität ins Auge zu blicken.

Zuletzt richtete sich der Blick des Podiums auf mögliche Zukunftsszenarien, insbesondere auf die Auswirkungen der nächsten US-Präsidentschaftswahl.

Eine Rückkehr Donald Trumps in das Weiße Haus, war sich Prof. Harrison sicher, wäre mit einem hohen Risiko für die Ukraine und die europäischen Staaten verbunden.

Doch auch losgelöst von dieser Person hat die US-amerikanische Außenpolitik ihren Fokus verschoben. Die Herausforderung durch China genießt höhere Priorität als die Probleme der europäischen Verbündeten.

Durch diesen Perspektivwechsel könnte Washington zukünftig seinen europäischen Partnern (noch) mehr abverlangen und diese zu größeren außen- und sicherheitspolitischen Anstrengungen drängen.

Zu Beginn hatte Benedikt Stock, Geschäftsführender Vorstand der Point Alpha Stiftung, das Publikum und die Referenten begrüßt und spannte den Bogen zur parallel veranstalteten wissenschaftlichen Tagung „Der deutsch-deutsche Grundlagenvertrag 1972/73: Internationaler Kontext, Folgen, Erinnerung“. Partner der Tagung waren das Point Alpha Research Institute (PARI) und das Berliner Kolleg Kalter Krieg (BKKK).

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