Gastbeitrag von Sandra Limpert
Manche Rhöner Wiesen tragen noch immer „Corona-Mähne“ – nicht, weil die Landwirte nicht zum Schneiden gekommen wären, sondern weil sie Rücksicht nehmen auf einen kleinen Vogel, der sich dort zum Brüten niedergelassen hat: den auf der Roten Liste stehenden Wachtelkönig.
Von hessenweit 25 Brutrevieren befinden sich 10 bis 15 in der Rhön. „Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung unserer Region für diesen stark gefährdeten Bodenbrüter“, sagt Jonas Thielen, Sachgebietsleiter Naturschutz bei der Hessischen Verwaltungsstelle des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön.
Vor zwei Jahren hatte das LIFE-Team, damals unter Thielen als Projektmanager, sieben Brutreviere lokalisiert und die Wiesenbesitzer mit Verträgen dafür gewonnen, auf eine Mahd der betroffenen Flächen zu verzichten. Dass es seitdem zu einer Verdopplung der Reviere gekommen ist, zeigt die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen.
„Für die Landwirte hingegen ist es natürlich nicht einfach“, weiß auch der neue Projektmanager Elmar Herget.
Weil der Zugvogel erst im Mai aus dem Süden zurückkehrt und die Zeit bis September für die Aufzucht seiner Jungen benötigt, darf die von ihm besiedelte Wiese nicht gemäht werden – es kommt zum totalen Ernteausfall. Etwa 70 Hektar sind in diesem Sommer nach Auskunft von Herget im Landkreis Fulda stillgelegt worden.
Um die Entschädigung der betroffenen ein Dutzend Landwirte im Landkreis Fulda kümmert sich der Fachbereich Naturund Landschaft, dem dafür Mittel der Oberen Naturschutzbehörde zur Verfügung stehen.
Durch die Stilllegung von fünf seiner insgesamt 18 Hektar Fläche fehlen Landwirt Toni Weber aus Reulbach 35 bis 40 Ballen Heu. Der Mutterkuhhalter hat deshalb die Zahl seiner Rinder reduziert und will zunächst seine Vorräte aus dem Vorjahr aufbrauchen.
Der Wachtelkönig ist nicht der einzige Bodenbrüter, dem es auf Webers artenreicher Fläche in den Grumbachwiesen gefällt, auch eine Bekassine brütet dort. Aus Rücksicht auf die gefährdeten Vögel geht der Landwirt noch einen Schritt weiter, als es die Nutzungsbeschränkungen fordern.
Gemeinsam mit seinem Schwiegersohn hat er die zwischenzeitlich zur Mahd freigegebenen Bereiche mit einer Mulchraupe mit angebautem Doppelmessermähwerk gemäht.
„Dabei läuft man mit einer Fernsteuerung neben dem langsamen Gerät her, das sich rasch stoppen lässt, wenn man einen Vogel sieht“, erklärt Toni Weber.
Da sich Wachtelkönige während der Aufzucht ihrer Jungen mausern, sind nicht nur die Jungen, sondern auch die Alttiere nicht in der Lage, vor Gefahren am Boden in die Luft zu fliehen.
Aus wirtschaftlicher Sicht sei die Mulchraupe, die sich sein in der Landschaftspflege tätiger Schwiegersohn Lukas Kümmel extra für naturschonendes Arbeiten angeschafft habe, unrentabel, räumt Weber ein, „aber ich kann mir vorstellen, dass in besonders sensiblen Schutzgebieten bald nur noch solche Geräte zum Einsatz kommen“.
„Wir wissen um die vielfältigen Einschränkungen durch die gesetzlichen Auflagen und danken den Landwirten ausdrücklich für ihre Hilfe beim Schutz des Wachtelkönigs“, betonen Elmar Herget und Jonas Thielen.