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UPDATE Tag 6 Finale – Von Rhön bis Rügen – Fahrradtour durchs schöne Deutschland

Aus einer Schnappsidee, auf der Erbenhäuser Kirmes, ist nun ein großes Abenteuer geworden. Vier Rhöner haben sich mit dem Fahrrad auf gemacht, von ihrem Heimatdorf Erbenhausen bis an die Ostsee zu fahren.

Eigentlich war eine Alpenüberquerung geplant, Corona zwang die Sportler aber zum Ändern des ehrgeizigen Planes, statt Italien und Pizza gibt es nun Kreidefelsen und herbes Bier. Doch soweit sind die Sportler noch nicht. Jeden Tag gilt es eine Etappe zu absolvieren.

Robert Kirsch, Norbert Büchner, Achim Milde und Christoph Milde haben sich an Pfingsten auf die Pedalen gemacht. Wir berichten aus dem Tagebuch der mutigen Rhöner Radfahrer und wünschen viel Glück und eine tolle Reise.

Reisetagebuch

Tag 1 Erbenhausen – Mühlhausen. Die Ausführung!

Am Pfingstsonntag, dem 31.Mai 2020 starten vier Rhöner Jungs auf dem Burgweg ihre Reise nach Norden.

Mütter und Kinder verabschieden sich. Es wird geküsst und gemahnt, gedrückt und gewunken. Im Kopfe sind die vier längst auf der Strecke. Drei Stromer gegen ein Rennrad. Der Einzelgänger legt vor, die Drei kleben an seinem Hinterrad. Die Fahrt durchs Feldatal und an der Werra entlang geht meist bergab. In Heringen schaufeln die Jungs Erdbeertorte und Kartoffelsalat in sich hinein.

Hinter Berga an der Werra wirds ernst, Kommot schickt uns auf Singletrails quer durchs hessisch thüringische Grenzgebiet. Hecken versperren den Weg, Brennnessel streicheln Erinnerungen ans Bein. Gefühlte Endloskilometer geht es auf dem Plattenweg durchs Gelände. Schlammlöcher wechseln sich mit knackigen Anstiegen ab.

Es wird geflucht und gedemmelt, die Hände immer fest am Lenker.

In Treffurt gibt’s Eis und Bier. Die Welt ist wieder in Ordnung. Der anschließende Aufstieg zur Burg Normannstein wird zum Abstieg von den Rädern.

E-Bikes und Rennrad werden getragen. Es ist nicht mehr als ein Trampelpfad, der sich steil aufragend durchs Gebüsch bis zum Gipfel windet. Die letzten dreißig Meter geht’s keuchend und mit hochroten Köpfen über grob behauene Treppenstufen bis zum Burgportal. Oben angekommen, entdecken die Vier eine gut asphaltierte Straße die Burg und Stadt in sanften Windungen miteinander vereint.

Die letzten Kilometer der ersten Etappe bis Mühlhausen sind versöhnlich und leicht. Die Pension an der Marienkirche nimmt uns wohlwollend auf. Im Wirtshaus Antonius Mühle kommen Schnitzel und Bier auf den Tisch. Der gastfreundliche smarte Rhöner begrüßt Jack Daniels in seiner Mitte.

Tag 2 Mühlhausen – Hettstedt.

Nach der ersten Nacht in fremden Betten tummeln sich die Rhöner Jungs am Frühstücksbuffee. Gut geschlafen? Nein, zu viel Adrenalin im Blut. Vier Rhöner Charaktere, die unterschiedlicher kaum sein können, finden sich vereint beim Stullenschmieren.

Um 9 sind die Räder gepackt, die Taschen verzurrt. Kommot gibt die Richtung vor, die Jungs fegen im Eiltempo durch die leeren Straßen und Gassen von Mühlhausen. Die Stadt schläft lange und fest, an diesem sonnigen Pfingstmontag.

Bis Sondershausen folgen die Vier dem Unstrut Werra Radweg. Die alte Bahnstrecke ist hervorragend ausgebaut. Auf flotter Fahrt geht’s zügig voran. Der Sondershäuser Küppel geht in die Beine. Heftiger Wind kommt natürlich immer von vorn, wenn man ihn am Wenigsten braucht. Vor dem Stausee Kelbra tauchen die ersten weißen Ausläufer der Südharzer Gipskarstlanschaften auf.

Auf dem Campingplatz des Sees bestellen wir Bockis und bekommen „Roster“ und Bier. Neben Radfahrern tummeln sich vor allem Motorradfahrer an der Imbissbude.

Der drahtige Rennradfahrer zieht ein beachtliches Tempo mit. Die Stromer wechseln sich in der Führungsarbeit ab. Zur Rechten ragt der Kyffhäuser aus der Landschaft. Noch kaum richtig Mittag sind wir am Tagesziel angekommen.

Viel zu früh, finden alle 4 und beschließen noch 30km dranzuhängen. Doch die haben es in sich. Nördlich von Sangerhausen, queren wir die BAB 38 und folgen gut ausgebauten Wirtschaftwegen entlang von Rüben, Mais und Weizenfeldern. Er geht bergauf, heftig bergauf ins Mansfelder Land, einer ehemaligen Bergbauregion für Kupferschiefer.

Der Herr nimmt, der Herr gibt. In unserem Falle lecker Eis pauf dem Sportplatzgelände von Riedstedt.

Ab 16Uhr sitzen die vier Herren im Biergarten der Pension Waldcafe in Hettstedt. Tag 2 ist geschafft. Essen, Trinken, Essen, Trinken, einzig, wir hätten lieber das Rhöner Hell auf dem Tisch, an Stelle des Lederhosenem Hacker-Pschorr.

Tag 3 von Hettstedt nach La Porte.

Erkenntnis des ersten Augenblicks: Wenn’s frühmorgens Scheiße läuft, wird’s später nicht besser.  Aufstehen fällt schwer, das letzte Bier war eins zuviel.

Eine Stunde zu spät sitzen alle im Sattel. Nach ein paar hundert Metern endet die Kommot-Route vor einem Absperrzaun. Nach fünf Kilometern ist eine Brücke gesperrt. Beim Versuch sie zu umfahren klettern die Vier über ein Eisenbahnviadukt. Der Rennradfahrer wird vorgeschickt die Lage zu erkunden.

Im steil zum Fluss hin abfallenden Gelände knickt er um und verstaucht sich den Fuß. Im weiteren Verlauf ist der Radweg mehrfach gesperrt. Hinter Staßfurt ist der Rennradfahrer verschwunden. Stunden später taucht er in Magdeburg wieder auf, während die anderen drei auf der Elbebrücke in Schönebeck verharren und auf ihn warten.

Einer für alle, alle für einen, hatte man sich geschworen. Stunden später und unter Verwendung von GPS, Telefon und Nachrichtendiensten gelingt am Dom zu Magdeburg die Wiedervereinigung.

Die Elbauen sind ein Traum. Schilfbewachsene Polter, üppig blühende Rückhaltebecken, Weiden und Wiesen wechseln einander ab. Schafe traben und äsen in aller Ruhe auf der Dammkrone. Mächtige Steineichen ragen gefühlt bis in den Himmel. Wuchtig und wichtig präsentieren sie ihre Kronen, behaupten ihren Platz.

Noch im Sterben zeigt sich ihre Größe. Nackte, starke, aberissene Äste reichen bis auf den Boden. Der Rinde beraubt recken sie ihre kahlen, zerfurchten Schädel in den Wind. Mit offen Mündern und innehaltendem Tritt rollen die vier Rhöner Jungs an den majestätischen Baumriesen vorüber.

Versöhnlich neigt sich der Tag dem Ende. In einem Feriendorf an der Elbe beziehen die Reisenden eine komfortable Holzhütte, lecken ihre Wunden, begießen und beschließen das Erlebte mit Hopfenblütensaft.

Tag 4 La Porte – Kyritz See.

Seit 28.April 2020 gilt: Radfahrer dürfen zu zweit nebeneinander fahren – wenn sie die anderen Verkehrsteilnehmer dadurch nicht behindern. Solange genug Platz zum Überholen ist, ist keine Behinderung gegeben.

Seit 100 Jahren gilt: der Autofahrer bestimmt was erlaubt ist und bekräftigt dies mit Hupen und Schreien, mit Mimik und Gestik.

Seit 1000 Jahren gilt: ein echter Rhöner lässt sich durch nichts beeindrucken. Er geht stur seinen Weg. Er nimmt sich das Recht, dass ihm durch seine Geburt gegeben.

Am Morgen des vierten Tages bekommen die Jungs die Folgen des Klimawandels zu spüren. Wegen extremen Niedrigwassers fährt kaum mehr eine Fähre über die Elbe.

Der Weg ist das Ziel, der Umweg auch. Dem Umstand geschuldet führt unsere Reise durch die Kaiser- und Hansestadt Tangermünde.

Auf dem Marktplatz vor dem dem Rathaus, einem Paradestück deutscher Baukunst der Backsteingotik, schlürfen die Jungs heißen Kaffee aus Pappbechern.

Ein herantrabender Jugendlicher macht ein Foto von den Rhönern auf der Sandsteintreppe des Rathauses.

Bei Havelberg gelingt die Überfahrt. Brandenburg empfängt uns mit dem harzigen Duft seiner endlosen Kiefernwälder. Am späten Nachmittag sind wir am Kyritz See. Unsere Bleibe „Kattenstieg“ ist ein Bauernhof mit Hasen und Fischen, jungen, alten und störrischen Eseln.

Die Rhöner wurden Zeuge unzählig vergeblicher Versuche des Bauern seine Esel über eine Gitterbrücke zu führen.

Kurzerhand erledigte das einer der Jungs im Handumdrehen.

Von Kattenstiegmühle nach Dargun. 

Nach spätestens fünf gemeinsam verbrachten Tagen kennt jeder die Marotten der Anderen. Während der Eine bis auf den letzten Drücker schläft, trommelt der Andere schon eine Stunde vor dem Aufstehen mit den Fäusten das Rhönlied an die Wand.

Während der Eine mit seinem letzten Frühstücksei im Mund in voller Montour auf dem Hof steht und die Kette schmiert, drückt der Andere noch bedächtig die Zahnpasta aus der Tube.

Am Tag 5 rollen die Jungs viele Kilometer gedankenverloren nebeneinander her. Die verträumte Stille von Meckpomm legt sich auf die Gemüter. Entlang winzig kleiner, teils in der Zeit verharrender Gehöfte und Siedlungen fehlt etwas. Menschen.

Über Stunden ist niemand zu sehen. Am Klappern der Fahrradtaschen über grobes geschundenes Granitpflaster erkennt man wer gerade hinter einem fährt.

Eines der EBikes macht Probleme. Die Kette springt permanent über das Antriebsritzel des Bosch Motors. Ein stetig sich wiederholendes Knacken verbreitet Ungemach. Durch die Köpfe spukt der Gedanke an Abbruch. Nochmals nachfetten, dem Knacken lauschen, die Augen verdrehen als könnte der Blick zum Himmel die Lage verbessern.

Dreißig Kilometer vor dem Tagesziel passiert es. Stur den Blick auf das Navi gerichtet, kracht einer seinem stehengeblieben Vordermann ins Rad. Teile klappern über den Asphalt und verteilen sich in der Gewitterpfütze der letzten Nacht.

Eine Kollision zwischen 2 Fahrzeugen ist ganz einfache Physik. Alles ist dem Zufall überlassen. Doch sämtliche Zufälle lassen sich in der Gleichung Kraft x Zeit = Masse x Geschwindigkeitsänderung [Beschleunigung] zusammen fassen.

Eine Stunde später ist alles wieder hergerichtet, ausgebäult, mit Wundsalbe bestrichen.

Es geht weiter durch den Naturpark Mecklenburger Schweiz, am Kummerower See vorbei. In Dargun landen wir an. Der Eigentümer des Hotels mäht in Jogginghose den Rasen.

Wir sind fast die einzigen Gäste im Haus, Corona, ach ja, Corona. Er zapft vier Bier, stellt sie auf den Tisch, zieht seine Hose nochmal auf Nabelhöhe und mäht weiter.  Essen gehen wir woanders…

Von Dargun nach Binz

Letzte Nacht ist eine Gewitterfront übers Land gezogen. Heftiger Regen trommelte stundenlang aufs Vordach und hielt den schnarchenden Rhöner in Schach.

Der erste Hahnenschrei aus dem Nachbarzimmer mahnt zum Aufbruch auf die finale Etappe zur Küste. Es folgt ein schnelles, rustikales Frühstück im leeren Speisesaal des Rasenmähers in Jogginghose. Heute ging alles pronto pronto.

Feuer frei, kurze Pause mit Bockis und Kaffee auf halber Strecke und schon fliegen wieder die Beine. Selbst das angeschlagene Ritzel des EBikes holt das Letzte aus sich raus.

Mittags stehen die Rhöner Jungs mit roten Köpfen auf dem Rügendamm. Ein fettes Grinsen ist den Herrn ins Gesicht geschrieben. Es vergeht ihnen schnell wieder auf der Zufahrt zur Insel.

Die B96 ist schmal und voll und teils ohne Radweg. Im Handumdrehen befinden sich die Männer im Nahkampfmodus mit LKW’s, Bussen und sich überschätzenden Autofahrern.

Vierzig Kilometer weiter rollen vier Rhöner Jungs auf ihrer „Avenue Champs Elysees“ durch die Bäderstadt Binz. An der Seebrücke nehmen sie Aufstellung zum Abschlussfoto.

Ab da wird’s feucht und fettig. Erst Bier, dann Weizen, dann Jacki, dann Caipi und Fischsemmel und wieder Bier und immer so weiter und so weiter…

Erkenntnis der Tour: „Rhöner Jungs sind verdammt kernige Burschen.“

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