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Rhöner Klimaflüchtlinge – Nach Vulkanausbruch verließen die Menschen ihre Heimat

Gastbeitrag von Manuela Henkel

Klimawandel, Vulkanausbrüche, Fehdewesen, Pest und Landflucht führten seit Jahrhunderten zur Aufgabe von Höfen und Dörfern. Über spätmittelalterliche Wüstungen im Geisaer Amt berichtet die neue Geschichtsbroschüre „Vergessene Dörfer und Höfe im Geisaer Amt“ von Heimatforscher Bruno Leister, die in Zusammenarbeit mit dem Heimat- und Geschichtsverein „Geisaer Amt“ entstand.

Als Wüstungen werden verlassen Höfe und Dörfer bezeichnet. Warum Menschen ihre Heimat aufgeben, sie verlassen und wegziehen, dafür gab und gibt es viele Gründe. Die Vorderrhön wurde um 800 von den Franken besiedelt, die teilweise auf schon bestehende kleine keltische Siedlungen stießen.

„Die zweite bedeutende Siedlungs- und Rodungsperiode setzte im 11. Jahrhundert ein und fand ihren Höhepunkt in der ersten Hälfte des 12 Jahrhunderts“, weis Heimatforscher Bruno Leister.

Er beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten mit der Geschichte der Region und hat in seiner neuesten Veröffentlichung sich mit der wechselnden Siedlungsstruktur und den Wüstungsprozessen im Geisaer Amt auseinander gesetzt.

„Viele Flurnamen weisen heute noch auf alte Höfe und einstige Dörfer hin“, erzählt der Heimatforscher. So bezeichnet der noch heute im Dialekt gebräuchliche Name „Blümmerschrot“ eine Flur zwischen Geisa und Schleid, auf die zwei Höfe Blümersroth hin.

In der Flur „Im Hemmersch“ hat Spahl seinen Wasserbassin und bezieht von dort sein Trinkwasser. Was man kaum weis, dass es dort einst einen Hof Hemmings gegeben hat. Warum es zur Wüstung wurde ist nicht bekannt.

Zur Gemarkung Gerstengrund gehörte einst „Godermanns“, dessen Einwohner, so besagt es die Legende wegzogen, als ihre neuen Herren die Adeligen von der Tann evangelisch wurden, da sie ihrem alten Glauben die Treue halten wollten.

„Das die Menschen wegen einem Glaubenswechsel wegzogen kann ich mir nicht vorstellen“, beurteilt Bruno Leister die alten Geschichten um Godermanns.

Die Existenz hing damals von Haus und Hof ab und so schnell wurden diese nicht aufgegeben. Die Gründe dafür sind meist anderer Natur. Von etwa 1000 bis 1230 herrschte in den Breiten der Rhön günstiges Klima, sodass es zu einem kam.

In dieser Zeit wurden die bisher landwirtschaftlich nicht genutzten Waldgebiete gerodet und besiedelt. Durch die Erfindung des Wendepfluges und andere Verbesserung stiegen die Erträge in der Landwirtschaft ebenfalls weiter an. Dies führte wiederum zur Überbesiedlung des Landes.

„Ein gewaltiger Vulkanausbruch 1257 in Indonesien löste ein Klimachaos aus. „Das folgende Jahr nennen Chroniken das Jahr des Nebels“ weis Bruno Leister.

Die Temperaturen sanken in den nächsten drei Jahren und es kam zu schlechten Ernten, Hunger, Krankheit und Tod. Schätzungsweise starb damals jeder dritte Europäer an den Folgen. Um dieselbe Zeit erstarkte das Raubrittertum und zahlreiche Angehörige des niederen Adels wurden zu Wegelageren, die besonders die Höfe und Dörfer entlang der Handelsstraßen überfielen, von denen in dieser Zeit zahlreiche aufgegeben wurden.

„Zu Beginn des 14. Jahrhunderts folgte dann eine Phase des Niedergangs und des Umbruchs, die umfangreiche Wüstungsvorgänge auslöste“, so Bruno Leister.

1348 brach die Pest in Vorderasien aus und erfasste in kurzer Zeit ganz Europa. In der Abteil Fulda raffte die Krankheit mehr als ein Drittel der Bevölkerung hin.

„Um der Pest zu begegnen, brannte man oft die verlassenen Häuser und aufgegebenen Höfe nieder, was den Wüstungsvorgang beschleunigte“, berichtet Heimatforscher Leister.

In dieser Endzeitstimmung entflammte eine regelrechte Landflucht und viel Bauern verließen ihre Heimat.

„Auch im Geisaer Amt wurden während der Wüstungsperiode fast alle Kleinsiedlungen aufgegeben“, so Bruno Leister. „Die Bevölkerung konzentrierte sich in den mittleren und größeren Dörfern.“ „Das 14. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Katastrophen. Fast alle Wüstungen in der Rhön gehen auf die spätmittelalterliche Wüstungsperiode von 1340 bis 1470 zurück“, so Bruno Leister.

Das „Land an der Straße“ so wie das Geisaer Amt wegen seiner Lage an Handelstraße Frankfurt-Leipzig oft genannt wird, war besonders stark betroffen. Als die Bevölkerung wieder zunahm, begann man teilweise zwischen 1470 und 1600 mit dem Aufbau der verlassenen Orte. So bestand Bermbach ursprünglich aus Nieder- und Oberbermach, von dem letzteres 1490 Wüstung war.

Nach einer Studie lagen um 1450 sehr wahrscheinlich ganz oder teilweise wüst Borbels, Geblar, Lenders, Mieswarz sowie Walkes und Wiesenfeld. Obwohl diese wieder bevölkert wurden blieben andere Höfe und Ort für immer Wüstung.

Nach 1550 blieb das Siedlungswesen in der Region relativ konstant. Nach etwa drei Generationen hatte sich die Bevölkerungszahl wieder erholt. Im ehemaligen „Amt Geisa“ sind anhand von Flurnamen, Archivunterlagen oder noch bestehenden Wüstungsgemeinden, später Genossenschaften, etwa 20 Wüstung nachweisbar.

Bruno Leister hat sie in der 67seitigen Broschüre „Vergessene Dörfer und Höfe im Geisaer Amt“ erfasst und näher beschrieben. Die Dokumentation ist zum Preis von 9,50 Euro bei der Firma Henkel Heizung & Sanitär in Geisa, bei der Buchhandlung Greifzu in Kaltenordheim oder unter der Telefonnummer 03693/710441 bzw. br-leister@t-online.de erhältlich.

Ein Postversand ist möglich.

 

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